Wir erwarten, dass das Marktumfeld im Jahr 2022 in die traditionelle Expansionsphase des Konjunkturzyklus
übergeht. Im Folgenden erfahren Sie, was das für Fixed-Income-Anleger bedeutet.
Geldpolitische Gegenwinde
Während des gesamten Jahres 2021 stützte die unsichtbare
Hand einer lockeren globalen Geldpolitik die Finanzmärkte.
Das dürfte im Jahr 2022 ganz anders werden. Einige
Zentralbanken haben bereits ihre Wertpapierkäufe reduziert,
und für die kurzfristigen Zinsen erwarten wir ein stark
verändertes Umfeld mit eingepreisten Zinserhöhungen
der meisten wichtigen Zentralbanken. Diese abnehmende
geldpolitische Unterstützung, in Verbindung mit hohen
Anfangsbewertungen, rechtfertigt im Jahr 2022 bei Fixed-
Income-Investments eine selektivere Vorgehensweise.
Potenzielle aufsteigende Sterne
Im Laufe einer Rezession stufen Ratingagenturen normalerweise
Unternehmen herab, deren wirtschaftliche Aussichten sich
einzutrüben beginnen. Während der Pandemie nahm das
Volumen dieser „gefallenen Engel“ historische Ausmaße an –
Unternehmensanleihen im Wert von 184 Milliarden
US-Dollar verloren ihren Investment-Grade (IG)-Status.1 Mithilfe
eines aggressiven Managements der Kosten, Investitionen,
Dividenden, Aktienrückkäufe und Kapitalstrukturen stabilisierten
die Unternehmen ihre Cashbestände. Da die Nachfrage
Zug um Zug zurückkehrte, stiegen die Gewinnmargen und
freien Cashflows schnell an, sodass die Unternehmen
Verbindlichkeiten zurückzahlen und ihre Kreditqualität
verbessern konnten. Unserer Einschätzung nach werden
„aufsteigende Sterne“ im Jahr 2022 gut abschneiden, da viele Hochzinsunternehmen IG-Status erreichen (Abbildung 1). In einem Umfeld mit
offenbar begrenzten Kurszuwächsen könnten potenzielle aufsteigende Sterne
eine seltene Gewinnchance bieten. Die Risikoprämien von BB- gegenüber
BBB-Anleihen bieten immer noch Wertpotenzial, und die Kurse könnten infolge
höherer Ratingerwartungen der Anleger steigen. Es ist aber ein gezieltes
fundamentales Kreditresearch erforderlich, um diese aussichtsreichen
Bonitätsstorys zu identifizieren, bevor die Ratingagenturen handeln.
Abbildung 1: Aufsteigende Sterne – Höherstufungen der Bonität von
Hochzinsunternehmen übertreffen Herabstufungen nach der Rezession

Quelle: Bank of America/Macrobond, Oktober 2021. Bonitätsmigrationsraten von Hochzinsanleihen: Nettohöherstufungen in
den letzten sechs Monaten in Prozent des Marktwerts, 1. Januar 2016 – 31. Oktober 2021.
Benchmarkfremde Titel vorteilhaft
Infolge der Covid-bedingten Liquiditätswelle kehrten die Anleger weltweit
an die Finanzmärkte zurück und die Bewertungen stiegen an den meisten
liquiden Anleihemärkten auf historisch hohe Niveaus. Die erwähnenswerten
Ausnahmen sind Anleihen, die weniger liquide sind, weniger verfolgt
werden oder weniger in Benchmarks enthalten sind. Das ist insbesondere
bei strukturierten Krediten und Kommunalanleihen der Fall. Fast 40 %
der hypotheken- und forderungsbesicherten Wertpapiere, darunter die
meisten höherverzinslichen Anlagegelegenheiten in diesem Universum,
sind in keiner Benchmark enthalten. Die gleiche Dynamik herrscht im
Bereich der Kommunalanleihen, wo eine starke Fragmentierung, niedrige
Emissionsvolumen und oft fehlende Kreditratings bedeuten, dass
Kommunalanleihenbenchmarks viele Anlagemöglichkeiten nicht enthalten.
In jedem Fall kann man mit einer researchgetriebenen aktiven Strategie das
Spektrum der möglichen Risiko-Ertrags-Kombinationen in diesen Bereichen
ausschöpfen, um bessere Aussichten auf laufende Erträge und Wertzuwächse
zu generieren als mit passiven Alternativen.
Von der Erholung zur Expansion
Wir erwarten, dass das Marktumfeld im Jahr 2022 vom Pandemieschock in
die traditionelle Expansionsphase des Konjunkturzyklus übergeht. In diesem
Stadium profitieren Anleiheanleger wesentlich weniger von Engagements
in generischem Marktrisiko, da die Zentralbanken auf einen Politikwechsel
zusteuern. Ein wesentlich gezielterer, auf die Verbesserung der Bilanzen der
Unternehmen und Verbraucher ausgerichteter Ansatz dürfte im Jahr 2022
erfolgreicher sein.

Volkswirtschaft / Staatsanleihen 2021–2022
Von Adrian Hilton, Head of Global Rates and Currency
2021 wird als ein Jahr in Erinnerung bleiben, in dem das Wort
„vorübergehend“ häufiger benutzt wurde als üblich. In Bezug auf den Markt
bezieht es sich auf das Tauziehen zwischen steigenden Inflationserwartungen
und der Vorstellung, dass sich die gegenwärtigen Preissprünge im
kommenden Jahr beruhigen werden, sobald vorübergehende Faktoren wie die
Wiedereröffnung der Volkswirtschaften, Knappheiten in der Lieferkette (sowohl
an Arbeitskräften als auch an Kapital) und stark steigende Energiepreise
hinter uns liegen.
Es war infolgedessen ein schwieriges Jahr für Kernländerstaatsanleihen.
Während eines großen Teils des Jahres stiegen die Renditen und
Inflationserwartungen und die Erträge waren negativ. Die Rhetorik der
Zentralbanken war die ganze Zeit über zu entgegenkommend, schaffte es aber
oftmals nicht, das Vertrauen oder die Unterstützung des Marktes zu gewinnen.
Unsere eigene Einschätzung, dass Wachstum, Inflation und Anleiherenditen
für längere Zeit niedriger bleiben, wurde infrage gestellt, was das Jahr 2021
mitunter zu einem schwierigeren Jahr für unsere Fonds machte.
Was bringt die Zukunft? Unseres Erachtens kann sich dieser
außergewöhnliche Inflationsdruck kaum wiederholen und wird keine nachhaltig
steigenden Löhne nach sich ziehen. Nach der kräftigen Erholung in diesem
Jahr werden daher sinkende Reallöhne, eine restriktivere Fiskalpolitik –
insbesondere im Vereinigten Königreich – und eine straffere Geldpolitik die
Volkswirtschaften belasten.
Den Staatsanleihemärkten dürfte das zugutekommen. Daher sind höhere
Erträge im Jahr 2022 als im Jahr 2021 unsere Basisprognose.

Investment-Grade-Anleihen 2021–2022
Von Alasdair Ross, Head of Investment Grade Credit, EMEA
An den Investment-Grade-Anleihemärkten wird das Jahr 2021 vor allem als
ein Jahr mit niedriger Spreadvolatilität in Erinnerung bleiben – ein krasser
Gegensatz zu den zwölf Monaten davor. Die globalen IG-Spreads bewegten
sich von Januar 2021 bis Mitte November 2021 in einer Bandbreite von rund
20 Basispunkten (Bp.), während sie im Jahr 2020 innerhalb einer wesentlich
weiteren Bandbreite von über 240 Bp. schwankten.
Dieses sehr niedrige Volatilitäts- und Streuungsniveau schafft ein
schwierigeres Umfeld für aktives Management. So erzielten zwar die meisten
unserer Fonds in diesem Jahr eine Outperformance, die aber geringer ausfiel
als letztes Jahr.
Was ist im kommenden Jahr zu erwarten? Wir sind gegenüber dem
Spreadniveau ziemlich neutral eingestellt. Das spiegelt das Gleichgewicht
zwischen positiven Fundamentaldaten und hohen Bewertungen wider.
Insbesondere werden die gegenwärtigen niedrigen und/oder negativen
Zinssätze und die angenommenen künftigen Niveaus dem Markt weiterhin ein
günstiges Umfeld bieten, auch wenn sich die politischen Rahmenbedingungen
langsam in die „falsche Richtung“ zu bewegen scheinen.
Zweitens kühlt die Weltwirtschaft vielleicht ein wenig ab – doch für IG-Anleihen
ist ein niedriges, aber positives Wachstum („nicht zu heiß und nicht zu kalt“)
ideal. Es schafft eine Atmosphäre, die Überschwang in den Chefetagen
dämpft, aber auch kein Risiko erheblicher Herabstufungen oder schlimmerer
Konsequenzen erzeugt. Die Kreditqualität der Unternehmen bewegt sich
ebenfalls in die richtige Richtung. Die wichtigsten Kennzahlen dürften unseres
Erachtens Ende dieses Jahres wieder ihr Niveau von Ende 2019 erreichen.
Schließlich dürften risikoärmere Anlageklassen mit laufenden Erträgen,
wie IG-Anleihen, gefragt bleiben – und das zu einer Zeit niedrigerer
Neuemissionsvolumen und anhaltender Zentralbankkäufe in Europa.
Warum sind wir dann nicht optimistischer? Das Problem sind die
Bewertungen oder Spreads. Zurzeit liegen die Kreditspreads sowohl deutlich
über ihrem kürzerfristigen (fünf Jahre) Durchschnitt als auch deutlich über
ihrem längerfristigen (20 Jahre) Durchschnitt – im letzteren Fall um gut 0,5
Standardabweichungen.

Hochzinsanleihen 2021–2022
Von Roman Gaiser, Head of High Yield, EMEA
An den Märkten für europäische Hochzinsanleihen (EHY) wird 2021 als das
Jahr in Erinnerung bleiben, in dem sich die Kreditqualität verbesserte – wie
sowohl an der Rückkehr aufsteigender Sterne als auch am Rückgang der
Ausfallerwartungen auf unter 1 % abzulesen ist. Das stand in krassem
Gegensatz zum Jahr 2020. Damals stiegen aufgrund der Anzahl und Art
von Emittenten, die als gefallene Engel ins EHY-Universum kamen, das
Marktvolumen und die Kreditqualität. Zudem erreichten die Ausfallerwartungen
fast zweistellige Niveaus.
Die EHY-Spreads verzeichneten in den vergangenen zwölf Monaten ein
Auf und Ab von 100 Bp. Die Tiefststände erreichten sie Mitte September.
Die Kreditspreads fielen auf ihre Vor-Covid-Niveaus zurück, auch weil sich
die Fundamentaldaten und Kreditratings der Unternehmen verbesserten.
Infolgedessen sanken die Ausfallerwartungen, als die Zentralbanken ihre
Politik der für längere Zeit niedrigeren Zinsen fortsetzten – und damit die
Anlageklasse effektiv stützten.
Was bringt das kommende Jahr? Die positiven Wachstumsaussichten und
verbesserten Fundamentaldaten der Unternehmen sprechen weiter für
europäische Hochzinsanleihen. Die steigende Zahl der Covid-Fälle sowie die
aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Omikron-Variante erinnern
an das Risiko. Doch die meisten Regierungen bemühen sich nach Kräften,
im Interesse der sich erholenden Wirtschaft Lockdowns zu vermeiden. Die Markttechnik erscheint ausgewogen: Inflationssorgen wegen
Lieferengpässen und Arbeitskräfteknappheit sowie Logistikstörungen
erzeugen Aufwärtsdruck auf die Renditekurven der Staatsanleihen. Zudem
scheinen sich die Zentralbanken von der lockeren Geldpolitik abzukehren.
Vermögenswerte mit laufenden Erträgen und höherverzinsliche
Vermögenswerte bleiben jedoch gefragt. Zudem bieten neue Emittenten
Chancen. Die Spreads liegen jetzt fast 100 Bp. über ihren Tiefstständen im
Jahr 2021 und haben wieder das Niveau von vor zwölf Monaten erreicht.
Vor diesem Hintergrund erscheinen die Bewertungen trotz der in letzter Zeit
gestiegenen Unsicherheit angemessen. Die Erwartung einer anhaltenden
Konjunkturerholung nach der Pandemie ist offenbar eingepreist und die
Ausfallsorgen sind auf historische Tiefststände gefallen. Da sich die
Risikoprämien in der Nähe ihrer historischen Tiefststände befinden, gibt es
eine gewisse Sorge darüber, dass eine unerwartete Volatilität nur begrenzt
entschädigt wird. Doch mit einem Renditevorteil und einer moderaten Duration
bietet der Markt für europäische Hochzinsanleihen Chancen.