Die Europäische Kommission hat ihren „Fit für 55“-Fahrplan bekannt gegeben,1
der die vorzunehmende Umstellung beschreibt, um das von der EU-Kommission
ausgegebene Ziel einer Senkung der Nettotreibhausgasemissionen um
mindestens 55 % bis 2030 zu erreichen. Mit diesem wichtigen Schritt stellt die
EU sicher, dass sie auf Kurs ist, bis 2050 klimaneutral zu werden
Das Paket enthält detaillierte Angaben
darüber, wie diese Verringerung der
Treibhausgasemissionen erreicht werden
kann. Das Europäische Parlament und
die EU-Mitgliedstaaten werden vor der
Verabschiedung darüber debattieren und
abstimmen. Daher werden möglicherweise
nicht alle Vorschläge letztlich
Gesetzeskraft erhalten. Trotzdem bilden
sie jedoch einen soliden Ausgangspunkt.
Kohlenstoff-Grenzsteuer
Das CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM)
gilt anfangs für Zement, Düngemittel,
Eisen und Stahl, Aluminium und die
Stromerzeugung sowie für direkte
Emissionen der Scope-1-Kategorie.
Importeure müssen eine Abgabe für den
mit ihren Produkten verbundenen CO2-
Ausstoß entrichten, die sich am geltenden
CO2-Preis in der EU bemisst. Diese
Maßnahme wird innerhalb von drei Jahren
ab 2023 umgesetzt und könnte nach
2026 auf andere Sektoren ausgeweitet
werden. Für diese übrigen Sektoren werden
die kostenlosen Zertifikate bis 2035
schrittweise reduziert.
Ihre Zahl soll jährlich
um 10 % bis auf null am genannten Datum
sinken. Dies ist positiv für die Bauindustrie,
denn die kostenlosen Zertifikate hätten
auch bereits 2023 abgeschafft werden
können. Das vorgeschlagene Datum bedeutet jedoch, dass die Branche die
vollständigen CO2-Zusatzkosten erst ab
2035 tragen muss. Damit hat sie mehr
Zeit, um die Pläne für die Reduzierung der
CO2-Emissionen schneller voranzutreiben
und die Preise auf ein höheres Niveau
anzupassen.
Der vielversprechendste und folgenreichste
Aspekt des CBAM ist, dass es erst
den Einstieg darstellt, dem deutlich
striktere weltweite CO2-Vorschriften
folgen dürften. Im Zuge der verzögerten
Umsetzung könnte das CBAM zu einem
wirkungsvollen Instrument werden, das
andere Länder dazu antreibt, ihre eigenen
Dekarbonisierungspläne zu forcieren.
Dies könnte zu verstärkten Debatten
rund um globale Dekarbonisierungs- und
Klimaziele anregen.
Luft- und Schiffsverkehr
Die Europäische Kommission schlägt
vor, dass in den nächsten Jahren bei
Flügen, die von einem EU-Flughafen aus
starten, dem normalen Flugkraftstoff
mehr und mehr nachhaltiger
Flugkraftstoff (Sustainable Aviation
Fuel, SAF) beigemischt werden muss,
um die Reduzierung von Emissionen zu
unterstützen. Dieses Thema haben wir
bereits vor Kurzem in einem Blickpunkt
behandelt.2 Vorgeschlagen wird nun ein
SAF-Anteil von 2 % bis 2025, von 5 % bis
2030 und von 25 % bis 2035. Derzeit liegt
das SAF-Niveau bei rund 0,1 %.
Die Luftfahrtbranche wurde zudem
in den Geltungsbereich des
EU-Emissionshandelssystems (Emissions
Trading Scheme, ETS) einbezogen. Die
Sektoren, die vom überarbeiteten EU
ETS erfasst werden, das eine weitere
Marktverknappung zur Verteuerung
von CO2-Emissionen vorsieht, müssen
ihre Treibhausgasemissionen bis 2030
um 61 % unter das Niveau von 2005
senken. Damit wird die für den Sektor
geltende Zuteilung kostenloser Zertifikate
ausgehend vom Flugaufkommen des
Jahres 2010 um 4,2 % pro Jahr verringert.
Mit diesen Vorschlägen kommen
zusätzliche Kosten auf die
Luftfahrtindustrie zu, sodass es
Gewinner und Verlierer geben wird. Die
Fluggesellschaften werden den Einsatz
von SAF und den Kauf von CO2-Zertifikaten
einkalkulieren müssen, und ihr Erfolg
wird davon abhängen, inwieweit sie diese
Kosten an ihre Kunden weiterreichen
können. Für ein Unternehmen wie Neste
sind das sehr gute Nachrichten: Neste ist
der weltweit größte Hersteller von Öko-
Diesel und nachhaltigen Flugkraftstoffen,
die aus Abfall und Reststoffen gewonnen
werden. Das Unternehmen will bis 2024
die SAF-Produktion von aktuell rund
0,1 Millionen Tonnen pro Jahr (Mtpa) auf
fast 1,5 Mtpa steigern.3
Auch der Schifffahrtssektor wurde in den
Geltungsbereich des EU ETS einbezogen.
Betroffen davon sind Reisen innerhalb
der EU, 50 % der Emissionen von Reisen
außerhalb der EU und Emissionen,
die am Liegeplatz in einem EU-Hafen
entstehen. Die Branche muss ihre
Treibhausgasintensität (gegenüber einem
noch festzulegenden Referenzwert) bis
2025 um 2 %, bis 2030 um 6 %, bis 2035
um 13 %, bis 2040 um 26 %, bis 2045 um
59 % und bis 2050 um 75 % senken.
Weder das in der Luftfahrtbranche
verbrauchte Kerosin noch das in der
Schifffahrt genutzte Schweröl werden bei
Reisen innerhalb der EU vollständig von
einer Energiesteuer befreit werden. Die
Mindeststeuersätze für diese Kraftstoffe
werden über einen Zeitraum von zehn
Jahren angehoben, während nachhaltige
Kraftstoffe von einem Steuersatz von
null profitieren, um die Akzeptanz und
Einführung dieser Kraftstoffe zu fördern.
Elektrofahrzeuge
Ab 2035 sollen in der EU nur noch
Elektrofahrzeuge gebaut werden. „Fit für
55“ schlägt in diesem Zusammenhang
vor, die Emissionen neuer Fahrzeuge bis
2030 um 55 % und bis 2035 um 100 % zu
reduzieren. Das bedeutet, dass Fahrzeuge
mit Verbrennungsmotor ab 2035 in der
EU nicht mehr zugelassen werden dürfen.
Damit würden die Emissionen schneller
sinken als ursprünglich angenommen,
was eine raschere Umstellung auf Elektrofahrzeuge erfordert.
Diese Ziele
könnten jedoch für Automobilhersteller
eine Herausforderung darstellen und
verlangen außerdem einen beschleunigten
Ausbau der flächendeckenden
Ladeinfrastruktur. Dabei müsste die Zahl
der Ladestationen bis 2025 auf eine
Million und bis 2030 auf drei Millionen
steigen.
Für Halbleiterfirmen sind das sehr gute
Nachrichten, spielen sie bei diesem
Ausbau doch eine entscheidende Rolle.
Die Firma Infineon, die unserem Portfolio
angehört, ist im Bereich Leistungshalbleiter
branchenweit führend. Dieser Markt dürfte
erhebliches Wachstum verzeichnen, da die
Zahl der Elektrofahrzeuge auf den Straßen
aufgrund dieser Vorschläge zwangsläufig
steigen muss. Unternehmen im Bereich
elektrische Ausrüstung wie Schneider
werden ebenfalls profitieren, denn sie sind
für die Installation von Ladenetzwerken
unverzichtbar.
Gebäuderenovierung
Laut dem Fahrplan der Europäischen
Kommission soll der Energieverbrauch
von Gebäuden bis 2030 nun nicht mehr
wie ursprünglich vorgesehen um
32,5 %, sondern um 36 % verringert
werden. Zudem gilt ein neues verbindliches
Ziel, das einen jährlichen Anstieg der
Nutzung erneuerbarer Energien für
die Heizung und Kühlung um 1,1 %
verlangt. Bis 2030 sollen 49 % des
Energieverbrauchs von Gebäuden auf
erneuerbare Energien entfallen.
Wir hatten dieses Thema bereits Ende
2020 in einem Blickpunkt behandelt,4 aber
diese Vorschläge gehen nun noch weiter.
Bisher galt das Sanierungsgebot nur für
Regierungsgebäude. Doch jetzt wird der
öffentliche Sektor jedes Jahr 3 % seines
Gebäudebestands renovieren müssen,
darunter auch Schulen und Krankenhäuser.
Um diese Effizienzziele zu erreichen,
ist jedoch eine weitere politische Förderung
in Form von Geld, Anreizen und anderen
Vorschriften erforderlich.
Die CO2-Regulierung bleibt kurzfristig eine
Belastung für die Baubranche. Langfristig
stellen die neuen EU-Vorschriften jedoch
einen Positivfaktor dar und könnten
den Unternehmen, die in puncto
Dekarbonisierung führend sind, einen
besseren Kapitalzugang und eine potenziell
niedrigere relative Kostenbasis bescheren.
Bauunternehmen dürfte dies zu einem
anhaltend starken organischen Wachstum
bei hoher Preisgestaltungsmacht verhelfen.
Elektrounternehmen werden ebenfalls zu
den Nutznießern gehören, da Geschäftsund
Wohngebäude als Energielieferanten in
die Netze eingebunden werden.
Doch jetzt wird der öffentliche Sektor jedes Jahr 3 % seines Gebäudebestands renovieren müssen, darunter auch Schulen und Krankenhäuser
Sektor | Neue „Fit für 55“-Vorschrift | Folgen | Auswirkungen auf Sektorebene |
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Emissionen |
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Emissionshandelssystem (ETS) |
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Kohlenstoff-Grenzsteuer |
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Erneuerbare Energien |
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Straßenverkehr |
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Luftfahrt |
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Schifffahrt |
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Gebäude |
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Energiesteuer |
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