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Insights

Veränderungen im geldpolitischen Umfeld bilden den Hintergrund für 2022 – ein Jahr des Wandels

Die Zinsen befinden sich aufgrund der massiven geldpolitischen Stimulationsmaßnahmen, die als Folge der globalen Finanzkrise ergriffen wurden, nun bereits seit über einem Jahrzehnt auf historischen Tiefständen. 2022 sollte sich das nun ändern. Auf dem Weg zur wirtschaftlichen Erholung nach der Covid-19-Pandemie erinnert uns jetzt aber die Omikron-Variante einmal mehr daran, dass dieser Weg nicht leicht sein wird. Das kommende Jahr wird im Zeichen eines Rollenwechsels in der Geldpolitik stehen: Krisenunterstützung, Konjunkturanreize und Ausgaben werden dabei ersetzt durch Erholung, Wiederherstellung, weniger Fiskalunterstützung sowie eine Rückkehr zur „Normalität“. Politische Kompromisse werden entscheidend sein – nicht zuletzt in den USA –, damit die Regierungen diesen Wandel bewältigen können. Mit der endenden Unterstützung für die Vermögenspreise wird aktives Management – sprich die Identifizierung von Unternehmen, die aufgrund ihrer dauerhaften Qualitäten gut gegen Marktschwankungen gewappnet sind – im neuen Jahr zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor für die Geldanlage.

Inflation: Keine Zeit für Panik

Im früheren Jahresverlauf 2021 prognostizierten wir, dass die Wiedereröffnung der Wirtschaft („Reopening Trade“) – gepaart mit Problemen bei den Lieferketten – zu einem vorübergehenden Anstieg der Inflation führen würde, was sich bewahrheitet hat. Diese vorübergehende Phase hält zwar nun länger an als erwartet, dennoch bleiben wir bei unserer Auffassung, dass der Preisauftrieb im Laufe des nächsten Jahres wieder nachlassen wird.
Dabei ist es von Vorteil, dass sich die Zentralbanken vom Inflationsdruck weiterhin größtenteils unbeeindruckt zeigen. So zeigt sich beispielsweise die US-Notenbank Fed nicht übermäßig besorgt über die höhere und sich hartnäckig haltende US-Inflation, die in früheren Zyklen als große Belastung wahrgenommen worden wäre. Auch die Anleger und Märkte zeigen sich relativ zuversichtlich. Die Aktienmärkte befinden sich auf Höchstständen, teilweise beflügelt von einer starken M&A-Tätigkeit (insbesondere in Großbritannien). Gleichzeitig war es zuletzt auch interessant zu beobachten, wie sich die Renditekurve versteilert und wieder abflacht, ohne dabei die Besorgnis auszulösen, die eigentlich zu erwarten wäre. Dies steht in deutlichem Gegensatz zu den Jahren 2013 und 2018, als die damaligen Diskussionen über Veränderungen in der Geldpolitik zu negativen Marktreaktionen – nicht zuletzt dem Ausverkauf bei Anleihen („Taper Tantrum“) – führten. Jetzt gibt sich der Markt gelassener, nachdem er schon so lange auf Klarheit gewartet hat. Dies stimmt uns zuversichtlicher für 2022, auch wenn dann das Marktumfeld von einer Wachstumsverlangsamung geprägt sein dürfte.

Abb. 1: US-Zinserwartungen und Historie

Abb. 1: US-Zinserwartungen und Historie
Quelle: Bloomberg, Columbia Threadneedle Investments, Stand: 8. November 2021.
Ein Grund, warum wir glauben, dass die Inflation 2022 schließlich wieder sinken wird, sind die Verbesserungen in der Lieferkette. Egal, ob man Covid oder anderen strukturellen und politischen Faktoren (vor allem in Europa) die Schuld geben will – viele von uns haben das Ausmaß der Auswirkungen, die Störungen der Lieferkette auf den Unternehmenssektor haben könnten, unterschätzt. Nimmt dann noch die übermäßige Nachfrage ab, verbleibt in einigen Bereichen – vorneweg Automobile und Halbleiter – das Risiko einer bestandsbedingten Rezession, da Produzenten, die das Auftragsniveau während der Pandemie unterschätzten, ihre Lager leer geräumt haben, um die Auftragsflut bewältigen zu können. Den jüngsten Schätzungen von Branchenanalysten zufolge soll der Halbleitermangel sogar noch bis in das Jahr 2023 hinein anhalten.
Aber trotz der anhaltenden Herausforderung durch Unterbrechungen entlang der Verkehrsknotenpunkte und fehlende Arbeitskräfte konnten wir jüngst Anzeichen für eine Verbesserung beobachten. In einigen Sektoren, insbesondere dem Einzelhandel, profitieren die Unternehmen nach wie vor von weniger konzentrierten und agileren Lieferketten, während sich Hersteller, Transporteure und Händler nach Kräften bemühen, den 2021 verlorenen Boden angesichts der stetigen Verbrauchernachfrage wieder gutzumachen. Nach unserer Überzeugung werden die Lieferkettenprobleme 2022 weiter abnehmen. Allerdings könnte es durchaus noch bis zur zweiten Jahreshälfte dauern, ehe die positiven Auswirkungen hiervon zu spüren sind.

Qualität wird sich durchsetzen

Die gute Gewinnerholung in diesem Jahr spiegelt ein relativ solides Bilanzmanagement der Unternehmen wider, mit strikteren Kostenkontrollen und einer strengen Disziplin bei Dividenden und Aktienrückkäufen. Das Reopening und die anhaltende Erholung der Nachfrage haben den freien Cashflow steigen lassen, den die Unternehmen nun zur Schuldenreduktion einsetzen können.

Abb. 2: Erwartungen für das 12-Monats-Forward-Gewinnwachstum pro Aktie weltweit

Abb. 2: Erwartungen für das 12-Monats-Forward-Gewinnwachstum pro Aktie weltweit
Quelle: Datastream/IBES, September 2021.
Doch angesichts von Lieferkettenengpässen und der anhaltenden Inflation dürfte es für Unternehmen zumindest kurzfristig schwieriger werden, die Prognosen so wie 2021 zu übertreffen. Wir erwarten deshalb, dass die Unternehmensgewinne im nächsten Jahr wieder wie gewohnt eher enttäuschend ausfallen werden, anstatt weiter positiv zu überraschen.
Wenn sich in früheren Zyklen die Renditekurve abflachte, suchten die Anleger wegen der Auswirkungen auf Aktien immer nach Qualitätsunternehmen, die einem drohenden Zinsschock standhalten könnten. Nun, da der Jahreswechsel 2022 bevorsteht, konnten wir beobachten, wie die Renditekurve sich versteilerte, abflachte und dann wieder kurvenübergreifend angestiegen ist. Das hat zu einem gemischteren Bild der Faktoren geführt, von denen der Markt gerade geleitet wird. Kurzfristig dürfte sich daran meines Erachtens nichts ändern, außer dass einige Bereiche, die sich in jüngerer Zeit überdurchschnittlich entwickelt haben, unter Druck geraten könnten. Ich denke dabei beispielsweise an „Meme-Aktien“, Aktien also, die von Kleinanlegern in sozialen Medien stark beworben werden. Die von uns bevorzugten Qualitätsunternehmen mit soliden Bilanzen und Wettbewerbsvorteilen haben bessere Chancen, auch volatile Phasen zu überstehen.

Festverzinsliche Wertpapiere

Im Jahr 2021 kehrten die Anleger in Scharen an den Anleihenmarkt zurück. Dabei ritten sie auf der Liquiditätswelle, die die meisten risikoreicheren Anlagen attraktiver machte. Dadurch sind aber die Bewertungen auf ein hohes Niveau gestiegen. Außerdem betrachten wir Anlagen, die weniger liquide als andere sind, mit Skepsis. Global betrachtet gehören dazu strukturierte Kredite und Kommunalanleihen. Da passive Produkte Indizes nachbilden, die viele überschuldete Unternehmen enthalten, glauben wir, dass ein aktiver Ansatz 2022 Früchte tragen wird.
Wir gehen davon aus, dass die Inflation länger anhalten wird und die Konjunkturanreize allmählich zurückgefahren werden. Daher ist zu erwarten, dass die Anleihenrenditen im nächsten Jahr steigen, was keine fantastischen Aussichten sind. Nun treten die Unternehmen jedoch wieder in eine traditionellere Expansionsphase des Konjunkturzyklus ein. Unser aktiver, zielgerichteter Ansatz, bei dem wir uns auf Unternehmen konzentrieren, die ihre Bilanzen stärken, dabei gleichzeitig von einer solideren finanziellen Situation der Verbraucher profitieren und zudem eine „intelligente“ Fokussierung auf das Kostenmanagement an den Tag legen, wird daher 2022 zu besseren Ergebnissen führen. In letzter Zeit konnten wir sehen, dass sich die Spreads am unteren Ende des Bonitätsspektrums teilweise stärker ausgeweitet haben als im Investment-Grade-Universum, was bei einem Abschwung zu erwarten wäre. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnten uns als erstklassig eingestufte Titel attraktiver erscheinen als Hochzinsanleihen, obwohl unser Interesse an „Rising Stars“, also an Anleihen, die in das Investment-Grade-Segment hochgestuft werden, generell bestehen bleibt. Sollte schließlich ein Abschwung stärker ausfallen als von uns angenommen, würden wir wieder mit mehr Unterstützung für Staatsanleihen rechnen.

Aktien

Für Unternehmen wird es zumindest kurzfristig schwieriger werden, die Prognosen so deutlich zu übertreffen wie 2021. Tatsächlich rechne ich über das Jahr 2022 hinweg mit größeren Performanceunterschieden bei Aktien, und dies wiederum dürfte aktiven Anlegern gute Chancen bieten. Die fortdauernde Wiedereröffnung der Wirtschaft (und ein Umfeld überdurchschnittlichen BIP-Wachstums) dürfte insbesondere im ersten Halbjahr Chancen für eine zyklische Outperformance eröffnen, wobei aber auch hier sich die Gewinner und Verlierer ungleich verteilen werden. Wie bereits erwähnt, zeichnet sich Qualität bei Unternehmen für uns durch solide Bilanzen, starke Wettbewerbsvorteile und einen soliden Nachhaltigkeitsbeitrag aus. Unabhängig von der Region gehen wir davon aus, dass diese Unternehmen 2022 jegliche Konjunkturflaute oder Volatilität erfolgreich überstehen werden.

Regionen

Mit Blick auf die Regionen ist festzustellen, dass viele Anleger dieses Jahr China wegen der Verhängung äußerst strenger Regulierungsmaßnahmen, über die umfassend berichtet wurde, sowie wegen der Turbulenzen im dortigen Immobilienmarkt dieses Jahr den Rücken gekehrt haben. Ich kann die Sorgen um die Regulierung in China durchaus nachvollziehen, ganz zu schweigen von den lokalen Ausbrüchen der Delta-Variante des Coronavirus, den extremen Wetterereignissen im Land, die die Nahrungsmittelerzeugung und -versorgung beeinträchtigen, und der Wachstumsverlangsamung. Doch China hat sich als erstes Land von Covid erholt und das mit einem strikteren geldpolitischen Rahmen als andere Regionen. Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft gibt zwar erheblichen Anlass zur Sorge, doch meiner Meinung nach erhöht sich dadurch auch die Wahrscheinlichkeit, dass die chinesischen Behörden 2022 stimulierend eingreifen werden. Also ist meine Einschätzung neutral. In China (und im übrigen Schwellenländeruniversum) bieten sich Anlagechancen, aber es bedarf hier eher der Fundamentalanalyse mit einem Bottom-up-Ansatz, um Portfolios Unternehmen für Unternehmen aufzubauen, als einer thematischen Herangehensweise.
In Japan stellt sich Premierminister Fumio Kishida nicht so wie sein Vorgänger Abe als positiver Impulsgeber dar. Ohne diese politische Energie und die Erwartung einer bedeutenden Veränderung hat Japan für uns als Anleger an Attraktivität verloren, auch wenn die jüngsten Lieferkettenoptimierungen der industrielastigen japanischen Wirtschaft helfen werden. Davon abgesehen mangelt es uns als aktiven Anlegern nicht an Gelegenheiten, zumal im japanischen Markt oft mehr Breite steckt, als wir es ihm zutrauen. Dies gilt nicht zuletzt für den Technologie- und den Dienstleistungssektor. Letzteres ist wegen Covid zwar ungewöhnlich, doch gibt es laufende Initiativen zur Produktivitätssteigerung, die wiederum für uns Anlagechancen zutage fördern.
Die britische Finanzbranche ist üblicherweise zu rund 60 % in sterlingbasierten Anlagen investiert. Zuletzt aber haben heimische Investoren für risikobereinigte Renditen ihren Blick auch verstärkt ins Ausland gerichtet. Diese Entscheidung ist insofern richtig, als sich der britische Aktienmarkt in letzter Zeit notorisch unterdurchschnittlich entwickelt hat und nach wie vor unter geringeren Kapitalzuflüssen leidet. Unternehmen mit hohen Barreserven sind die Kapitalflüsse jedoch ziemlich egal. Für sie ist es wichtig, günstige und unterbewertete Vermögenswerte zu finden, die sie kaufen können – und davon gibt es in Großbritannien reichlich. Es ist möglich, dass die Rolle, die der Brexit für die britische und europäische Wirtschaft spielt, überbewertet wird. Fest steht aber, dass Großbritannien als Volkswirtschaft nicht mehr so offen ist wie vor fünf Jahren. Dies wird weiterhin ein Faktor bleiben, der zugleich Chancen und Herausforderungen schafft.
Für Europa erwarten wir ein starkes Wachstum, das allerdings mit Lieferkettenschocks einhergehen könnte, wie der Mangel an Lkw-Fahrern und die fehlenden Arbeitskräfte bereits andeuten. Diese Faktoren dürften zu einer unerwartet hohen Inflation und einer Reduzierung der Konjunkturmaßnahmen führen. Auch weht der Wind der Veränderung in der Region: In Deutschland bleibt Angela Merkel sehr präsent, das Ende ihrer Amtszeit steht aber bevor. Eine Regierung unter Olaf Scholz von der SPD zusammen mit den Grünen und der FDP könnte für Deutschland mehr Unbeständigkeit und eine verstärkte Neigung zu Konjunkturanreizen bedeuten. Im April steht außerdem eine Präsidentschaftswahl in Frankreich an, und bekanntlich sind die Ergebnisse französischer Wahlen nur schwer zu prognostizieren. Diese Ereignisse werden den Markt beeinflussen; in welchem Umfang sie dies tun, ist allerdings schwierig abzuschätzen.

Fazit

2022 wird ein Jahr des Wandels sein. Wir haben seit geraumer Zeit ein von fiskal- und geldpolitischen Konjunkturanreizen geprägtes Umfeld. Wenn der Geldhahn offen bleibt, kümmert es die Anleger nicht, wie viel Regierungen und Zentralbanken ausgeben oder wie groß ein nationales Defizit ist. Aber die Veränderungen kommen, ob es uns nun gefällt oder nicht. In dieser Welt der wirtschaftlichen Wiederherstellung, der wir nun entgegensehen, müssen Märkte und Anleger die Auswirkungen einer geringeren fiskalischen Unterstützung berücksichtigen.
Als aktive Fondsmanager sind wir gut aufgestellt, um in dieser sich wandelnden Welt erfolgreich zu agieren. Über 650 Investmentexperten, die globale Einschätzungen zu allen wichtigen Anlageklassen und Märkten austauschen, bieten hierbei eine vielfältige Expertise. Diese Expertise gepaart mit unserer Kultur der Zusammenarbeit und einem Fokus auf Researchintensität hat es uns stets ermöglicht, langfristig attraktive Renditen zu erwirtschaften. Daran wird sich auch 2022 nichts ändern.
13 Dezember 2021
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Das hier zugrundeliegende Research und die Analysen sind von Columbia Threadneedle Investments für die eigenen Investmentaktivitäten erstellt worden. Aufgrund dieser sind möglicherweise bereits Entscheidungen noch vor dieser Publikation getroffen worden. Die Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt geschieht zufällig. Aus externen Quellen bezogene Informationen werden zwar als glaubwürdig angesehen, für ihren Wahrheitsgehalt und ihre Vollständigkeit kann jedoch keine Garantie übernommen werden. Alle enthaltenen Meinungsäußerungen entsprechen dem Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, können jedoch ohne Benachrichtigung geändert werden.

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