Nach der Neuorganisation der vergangenen zehn Jahre haben viele europäische Fertigungsunternehmen flexiblere Geschäftsmodelle mit höheren Erträgen.
In Europa gibt es unzählige Fertigungsunternehmen. Im Industriesektor sind 1.400 Gruppen aufgeführt,1 dabei ist die größte Untergruppe die der Hersteller von Investitionsgütern. Daneben gibt es Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrt- und der Verteidigungsbranche, Transportunternehmen sowie eine Vielzahl von Unternehmen, die Dienstleistungen für die Industrie und das Fertigungsgewerbe erbringen.
In dieser vielfältigen Investitionslandschaft sind wir im Sektor Investitionsgüter übergewichtet. Wir halten Anteile an Unternehmen aus ganz Europa. Dabei konzentrieren wir uns stärker auf große Unternehmensgruppen im Norden Europas und in Skandinavien sowie auf ein ausgereiftes Ökosystem kleiner und mittelständischer italienischer Fertigungsunternehmen.
Europäische Fertigungsunternehmen sind aufgrund der Auswirkungen von Covid-19 mit erheblichen Störungen ihrer Betriebsabläufe konfrontiert. Viele von ihnen sind jedoch langfristig äußerst attraktiv und können den aktuellen Konjunkturrückgang überstehen.
Flexible Kostenbasis
In den vergangenen zehn Jahren standen viele Fertigungsunternehmen unter erheblichem Druck, die Kosten für ihre Lieferketten zu senken. Daher haben sie ihre geschäftlichen Abläufe umgestaltet. Viele Aufgaben wurden ausgelagert und viele Fertigungsunternehmen produzieren inzwischen nur noch die kritischsten Komponenten mit dem höchsten Anteil an geistigem Eigentum.
Die Verlagerung hin zu einem „Montage“- Geschäftsmodell hat das finanzielle Profil dieser Unternehmen verändert. Sie sind nun stärker auf ein „Asset-Light“- Geschäftsmodell ausgerichtet und weisen hohe Renditen auf das eingesetzte Kapital auf. Auf diese Weise können europäische Fertigungsunternehmen ihre Fixkosten senken. Ihre Kostenbasis ist flexibler und kann somit in einem Abschwung leichter angepasst werden. Ihre Erträge wiederum sind für Trendwenden im Konjunkturzyklus weniger anfällig.
Die Kehrseite dieser Umgestaltung sind jedoch die zunehmend komplexen und internationalen Lieferketten europäischer Fertigungsunternehmen. Dadurch sind die Unternehmen größeren Risiken durch eine Unterbrechung dieser Lieferketten ausgesetzt, beispielsweise wegen des wachsenden Anteils an Inputfaktoren aus China.
Asset-light-Modell der Aufzugsunternehmen
Die Aufzugsindustrie ist ein typisches Beispiel für die Umgestaltung der europäischen Fertigungsunternehmen. Der Markt ist stark konsolidiert und verdankt sein langfristiges strukturelles Wachstum den Urbanisierungstrends in Schwellenländern und der hohen Nachfrage nach Sicherheit und Zuverlässigkeit. Drei der vier führenden globalen Aufzugshersteller sind in Europa angesiedelt: die beiden börsennotierten Unternehmen Kone in Finnland und Schindler in der Schweiz sowie die frühere Aufzugsparte von Thyssenkrupp, die vor Kurzem an einen Private-Equity-Investor verkauft wurde. Der vierte globale Akteur ist das US-Unternehmen Otis.
Diese vier kontrollieren zusammen 60 % des Weltmarktes. In Kone sind wir mit unseren europäischen Fonds schon seit Langem engagiert. Inzwischen verfolgt das finnische Unternehmen bei seinen Montagetätigkeiten ein Asset-Light-Geschäftsmodell mit ausgezeichneten finanziellen Eigenschaften. Das Geheimnis seiner hohen Margen sind jedoch seine Wartungsleistungen. Niemand möchte gerne in einem Aufzug stecken bleiben. Daher zahlen Immobilienentwickler und Gebäudemanager jedes Jahr eine feste Pauschale, damit alle Aufzüge reibungslos funktionieren.
Die Margen sind im Dienstleistungsbereich doppelt bis dreimal so hoch wie im Geschäft mit neuen Aufzügen. Gleichzeitig sind die Umsätze aus Wartungsaufgaben wesentlich stabiler als die aus dem Einbau von Aufzügen, denn in diesem Geschäft wird die Volumenentwicklung vom Konjunkturzyklus beeinflusst.
Bei einem typischen Aufzugverkauf stellt Kone Vorauszahlungen vor der Lieferung in Rechnung und profitiert von langfristigen Service- und Wartungsaufträgen für die von ihm eingebauten Aufzüge. Auf diese Weise erreicht das Unternehmen eine Diversifizierung seiner Gewinnströme und generiert stabile und kalkulierbare Cashflows.
In den vergangenen zehn Jahren ist China aufgrund der starken Urbanisierungstrends zu einem wichtigen Wachstumsmotor für Kone geworden. Dadurch konnte das Unternehmen ein jährliches Umsatzwachstum von 6 % erzielen. China macht inzwischen 30 % des Geschäfts von Kone aus. In dem Land werden jedes Jahr mehr als 500.000 Aufzüge eingebaut, das sind zwei Drittel der gesamten Aufzüge weltweit. In den USA sind dagegen nur 900.000 Aufzüge verbaut.2
Kones Wachstum in China
China ist der weltweit größte Markt für Aufzüge und damit ein zentrales Element des zukünftigen Wachstums von Kone. Allerdings unterscheidet sich das Land in wichtigen Aspekten von dem europäischen und dem US-amerikanischen Markt. Viel wird davon abhängen, wie lange diese Unterschiede Bestand haben und wie Kone einige der Negativfaktoren überwinden kann.
In Europa und den USA erzielt Kone beim Verkauf neuer Aufzüge eher bescheidene Margen. Dafür schließt das Unternehmen mit seinen Kunden mehrjährige Wartungsverträge ab, bei denen die Margen doppelt bis dreimal so hoch sind wie beim Einbau der Aufzüge. Somit erwirtschaftet Kone mit seinem Dienstleistungsgeschäft die Hälfte des weltweiten Konzerngewinns. In China sind dagegen die Margen aus dem Verkauf von Aufzügen höher als in anderen Ländern, während viel weniger Wartungsverträge geschlossen werden und die Wartungsleistungen weniger rentabel sind. Viele Aufzüge werden über lokale Vertriebshändler verkauft, die selbst die Serviceleistungen erbringen. Auf die vier großen Hersteller entfallen 90 % der Neuverkäufe von Aufzügen, aber nur 30 % der Wartungsaufträge.3Ihr Wachstum ist daher in China viel stärker von den Verkäufen neuer Aufzüge abhängig als in anderen Ländern. Der riesige chinesische Servicemarkt wird kurzfristig fragmentiert bleiben, bietet den globalen Akteuren aber eine langfristige Konsolidierungsmöglichkeit.
In China dürften auch in Zukunft mehr als 500.000 Aufzüge pro Jahr verkauft werden und die Ausrüstungsverkäufe werden weiterhin die Hauptquelle der Gewinne sein. Doch die führenden Akteure, darunter auch Kone, werden sich einen wachsenden Anteil der Wartungsaufträge für diese neuen Aufzüge – die „Begleitverkäufe“ – sichern können, wenn sie den Vertrieb über Dritte Zug um Zug durch einen Direktvertrieb ersetzen. Sie werden auch profitieren, wenn die Konsolidierung bei Immobilienunternehmen dazu führt, dass größere Immobilienentwickler Wartungsaufträge für große Immobilienportfolios an die führenden Unternehmen und nicht an kostengünstige lokale Anbieter vergeben.
Innovationen bieten weitere Möglichkeiten zur Optimierung des Wartungsgeschäfts. Die Aufsichtsbehörden schreiben vor, dass alle Aufzüge in China zweimal pro Monat von zwei Technikern überprüft werden müssen, obwohl die großen Aufzugkonzerne in neuen Aufzügen Sensoren installieren, die eine Fernüberprüfung ermöglichen. Kone überwacht bereits 5 % der von ihm weltweit eingebauten Aufzüge per Fernzugriff und berechnet einen Zuschlag für diesen Service.4 Das Unternehmen hat in China ein Pilotprojekt gestartet, um zu beweisen, dass bei einer Fernüberwachung das geltende Prüfsystem nicht länger erforderlich ist.
Es ist noch unklar, ob das China-Geschäft im Laufe der Zeit eher den anderen großen Aufzugmärkten ähneln wird, aber Kone ist in jedem Fall unter den vier großen Anbietern weiterhin gut aufgestellt. Das Unternehmen hat eine führende Position auf einem konsolidierten globalen Markt mit hohen Eintrittsbarrieren, auf dem Qualität und Sicherheit oberste Priorität haben.