Die Reaktion der Märkte in ganz Europa auf die Ukraine-Krise war heftig, aber gerechtfertigt. Die Papiere europäischer Banken und anderer Unternehmen mit Engagement in Russland sind um mehr als 30% eingebrochen. Unseres Erachtens droht den größeren europäischen Institutenkein systemisches Risiko, es könnte aber auf dem Kontinent zu weiteren Kreditausfällen kommen. Europäische Banken verfügen über erhebliche Mengen an überschüssigem Kapital–ausreichend, um Aktienrückkäufe auszulösen. Die Banken könnten also zwar an Eigenkapital verlieren, dies dürfte aber kein Solvenzrisiko bedeuten.
Inflation und Zinsen
Vor der Invasion Russlands in die Ukraine war man in Europa davon ausgegangen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) gegen Ende des Jahres 2022 eine erste Zinserhöhung vornehmen würde. Dieser Zinsschritt dürfte nun auf später verschoben werden. Die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen ist jedoch nur um 20Basispunkte gesunken, dies deutet auf Sorgen über die Teuerungsrate hin. Wir überwachen die Inflationsaussichten genau, und jegliche längerfristige Auswirkung auf die Zinssätze wird in unsere Entscheidungsfindung einfließen. Sollten die Energiepreise die Inflation massiv anheizen, kann der Kostendruck auf die Unternehmen steigen. Wir halten Ausschau nach Unternehmen miteiner soliden Preissetzungsmacht. Nach kurzfristigen Verwerfungen sollten diese auch weiterhin florieren–auf jeden Fall stärker als ihre schwächeren Konkurrenten.
Die Zinsen sind von zentraler Bedeutung. In den USA deutet alles darauf hin, dass die US-Notenbank die hinlänglich angekündigten Zinserhöhungen auch umsetzen wird. Die EZB hat dagegen eine geringere Bereitschaft zu Zinsschritten erkennen lassen. Erstens, weil höhere Zinsen nichts an gestiegenen Energiepreisen ändern würden, und zweitens, weil höhere Zinsen in Verbindung mit höheren Energiekosten bei den Verbrauchern (Wählern!) schlecht ankämen und die Gefahr einer Rezession mit sich bringen würden.
Wir gehen in unserem Basisszenario davon aus, dass deutliche Zinsanhebungen unwahrscheinlich sind und Zinsschritte verschoben wurden. Sollten die Zinsen jedoch deutlich steigen, dann hätte dies Auswirkungen auf die Bewertungen der Märkte insgesamt. Die nachhaltigen langfristigen „Compounder“ (Unternehmen, von langfristigen Wachstumstrends profitieren und den Wert für ihre Aktionäre stetig steigern können), die wir favorisieren, sind gut aufgestellt, um das neue Umfeld operativ zu meistern. Auswirkungen auf ihre Bewertungen stellen jedoch ein Risiko dar.
Unsere europäischen Aktienportfolios weisen kein direktes Engagement in Aktien aus Russland, Belarus oder der Ukraine auf. Einige Banken-und Energiewerte sind jedoch von indirekten Auswirkungen betroffen. Aber selbst unser indirektes Engagement ist gering und entspricht dem der Benchmark.
Neben der offensichtlichen Belastung durch die Energiepreise könnte es in Europa zu einem Schock aufgrund steigender Lebensmittelpreise kommen. Dies könnte den erwarteten Konsumaufschwung untergraben. Für dieses Jahr hatte man erstmals seit zehn Jahren für Europa ein stärkeres Wachstum prognostiziert als für die USA, man hatte mit einem Wachstum von 4% bzw. 3,5% gerechnet1, allerdings schlug bei den Prognosen für Europa die Aufhebung der Pandemiebeschränkungen positiv zu Buche. In den USA ist diese Aufhebung mit den damit verbundenen vorteilhaften Auswirkungen bereits vollzogen. Man war davon ausgegangen, dass die Verbraucher in Europa, die nun das während der Pandemie gesparte Geld ausgeben, die wichtigste Antriebskraft für dieses Wachstum sein würden.